Emsigen Fliegern auf der Spur

von Wenke Böhm, 02.05.2016 – Stuttgarter Zeitung

Von Wenke Böhm

Von Wenke Böhm

Langsam nähert sich der Bio-Imker Tobias Miltenberger mit dem Räucherkännchen den Waben im Bienenkasten. Surrend huschen die Tierchen
blitzschnell in die Tiefen des Kastens. „Ich würde auch verschwinden, wenn ich so eingeräuchert würde“, sagt ein Zuhörer und zwinkert mit den Augen. Doch Miltenberger erklärt den mehr als 40 Teilnehmern des Stadtspaziergangs von Stuttgarter Zeitung und Stiftung Geißstraße: „Der Rauch, den ich mache, simuliert einen Brand.“ Wenn die Bienen den Qualm riechen, würden sie vorsorglich Honig aufnehmen – und dadurch ruhiger werden. Dabei seien sie ohnehin „sehr sanftmütig“.

Zwei Bienenstöcke stehen auf der Dachterrasse des Königin-Olga-Stifts. An diesem Samstagmorgen scheint die Sonne auf die Einfluglöcher, es herrscht ein munteres Kommen und Fliegen. Miltenberger nimmt die Einschübe heraus, an denen die Bienen zum Teil wie in Trauben hängen. Er erklärt, wie die Tierchen ihre Waben bauen, wie der Nachwuchs heranwächst und was die Königin zur Königin macht. Wie hier auf dem Schuldach stehen inzwischen in vielen Hinterhöfen, Gärten und Parks der Stadt Bienenkästen. Den Stadtbienen, so erklärt der Demeter-Imker, gehe es besser als den Landbienen. Die Landwirtschaft sei auf Fleischproduktion ausgelegt, Bienen und Schafe spielten so gut wie keine Rolle mehr. Und wenn doch, dann sei der Stress für die Tiere groß, beklagt er. Der erwartete Honigertrag bei Bienen habe sich in den vergangenen Jahrzehnten fast verfünffacht. Viele der Prozesse würden durch Hilfsmittel beschleunigt und seien damit nicht mehr natürlich.
In ihrem Imkerbetrieb „Summtgart“ setzten sie dagegen auf Natürlichkeit, betont
Miltenberger. Die Bienen dürften sich die Waben selbst bauen, auch wenn das
mehr Zeit brauche. Dass ein Volk mal fliegen gehe, nehme er billigend in Kauf – und fange es dann halt in der Nachbarschaft irgendwo wieder ein. Zudem würden sie den Bienen möglichst viel eigenen Honig lassen. „Wir wollen den Druck so gering wie möglich halten“, betont er.

Das Königin-Olga-Stift ist bereits der Schlusspunkt der Tour. Vorher führt der Spaziergang vom Bismarckturm an Miltenbergers Wohnhaus vorbei und über die Johannesstraße. Der Fachmann spricht über Hummeln, die auf der Roten Liste stehen und deren Nester nicht entfernt werden dürften. Er zeigt, in welchen Fassaden sich Mauerbienen gern einnisten. Und er schwärmt von den großen Linden. Ihre Läuse bereiteten zwar den Autofahrern Verdruss, doch der klebrige „Honigtau“ komme den Bienen zugute. „Da saust und braust es nur so“, sagt er. Angst vor belastetem Honig müssten die Verbraucher bei Stadtbienen nicht haben, versichert der Fachmann. In ihrem Biobetrieb würden Honig und Wachs der Bienenvölker regelmäßig überprüft, und es gebe keine Beanstandungen. Die Bienen hätten einen Ventiltrichter im Körper, mit dem sie den Honig filtert. Feinstaub sei trotzdem ein Problem. „Die Insekten finden dadurch schlechter zu den Blüten.“ Mehr als zwei Stunden dauert der Spaziergang. Zum Schluss dürfen die Teilnehmer noch Summtgart-Honig testen und ein paar Bienenblumensamen für ihren Garten mitnehmen.

Michael Kienzle, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Geißstraße, schwärmt von den eifrigen Honigsammlern im Garten. „Man fühlt sich immer begrüßt von etwas Lebendigem.“ Zwei weitere Spaziergänge der Reihe „Mein Stuttgart“ sind bereits geplant: am Samstag, 18. Juni, mit Friedrich Schirmer, dem früheren Schauspiel-Intendant am Stuttgarter Staatstheater, und am Samstag, 16. Juli, mit Stadtdekan Søren Schwesig. Das Angebot ist gefragt, berichtet Claudia Barth von der Stiftung Geißstraße. „In zwei Stunden waren alle Plätze ausgebucht.“